- 25.09.2018

Titz stellt klar: Kritik bestimmt nicht mein Handeln!

Nach der heftigen Klatsche gegen Regensburg (0:5) ist Christian Titz plötzlich unter Druck geraten. Kritiker werfen ihm vor, die Startelf zu häufig zu verändern und Torjäger Pierre-Michel Lasogga (fünf Saisontreffer) zu häufig auf die Bank zu setzen. Im Interview mit dem SID äußert sich der Trainer des HSV dazu.

Der HSV rangiert nach sechs Spielen mit zwölf Zählern auf Platz zwei der Zweitliga-Tabelle. Die Stimmung in der Öffentlichkeit ist nach der 0:5-Pleite gegen Jahn Regensburg aber mies. Lässt Sie das kalt?

Christian Titz: Ganz kalt lässt mich das natürlich nicht. Wenn du beim HSV Spiele verlierst, ist der Ausschlag bei Niederlagen deutlich extremer als bei anderen Klubs. So ist die Situation hier. Aber unsere Leistung war auch nicht in Ordnung. Mir ist bewusst, dass so eine Niederlage hier und da Fragen aufwirft und eine große Unzufriedenheit. So ein Auftreten dürfen wir uns nicht mehr erlauben, sowohl als Mannschaft als auch individualtaktisch. Das Gute ist allerdings, dass wir es aufgrund der Englischen Woche schon am Donnerstag in Fürth wieder besser machen können.

Zuletzt wurden Sie als ‚Big Titz‘ gefeiert, nun bläst Ihnen der Wind ins Gesicht. Fühlen Sie sich da manchmal ungerecht behandelt?

So ist es leider im Fußball in unserem Medienzeitalter. Mir war bewusst, dass es durch die extreme Höhe der Niederlage einen höheren Wellengang geben wird.

Der Profifußball wandelt gern zwischen den Extremen. Das war zuletzt auch in der Bundesliga so, als einige verdiente Trainer schon kurz nach dem Saisonstart heftig kritisiert wurden. Ist Ihnen das manchmal zu viel?

Fußball ist ein Ergebnissport. Da wir so häufig spielen, wird vieles an den Ergebnissen festgemacht. Auf die mittel- bis langfristige Arbeit, die ein Trainer abliefert, wird nicht unbedingt geschaut. Es werden oftmals schnelle, kurzfristige Erfolge gewünscht und bei einem negativen Ausgang wird häufig nur das Ergebnis bewertet und nicht, ob die Mannschaft ein gutes Spiel abgeliefert hat. Dass das nicht immer der richtige Weg ist, ist klar. Aber wir können das Rad leider nicht mehr zurückdrehen.

Haben Sie Strategien, wie Sie sich dem entziehen?

Zeitung lese ich nur ganz wenig, ganz entziehen kann man sich aber nicht. Ich habe deswegen die Eigenart entwickelt, dass ich das nicht zu nah an mich heranlasse. Das Wichtigste ist, wie du mit deiner Mannschaft arbeitest und nicht, wie man in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. So etwas darf nicht dein Handeln bestimmen.

Wie schlafen Sie eigentlich nach solch einem Spiel wie am Sonntag?

Ich schlafe eigentlich gut. Das liegt daran, dass ich mir die Partie noch am Abend ein zweites Mal anschaue und in die Diskussion mit meinen Trainerkollegen gehe. Mit diesem zweiten Blick hat man schon eine Aufarbeitung des Spiels. Was ich für mich gelernt habe: Wenn Du anfängst, ständig schlaflose Nächte zu haben, dann bist du morgens ziemlich unausgeschlafen. Und unausgeruht macht man mehr Fehler. Das gute Schlafen gelingt nicht immer, aber meistens.

Zum Auftakt gab es ein 0:3 zu Hause gegen Holstein Kiel, nun ein 0:5 gegen Jahn Regensburg. Einige sprechen von einem Systemabsturz. Bleiben Sie bei Ihrer offensiven Grundausrichtung?

Eine offensive Grundausrichtung gehört zu unserer Spielidee. Es gibt aber schon auch Modifizierungen. Wir wissen auch, dass wir auf Gegner treffen, bei denen wir verschiedene Absicherungen im Spiel benötigen. Dafür sind wir uns nicht zu schade. Am Ende geht darum, die Spiele für uns zu entscheiden.

Die häufigen Wechsel in der Aufstellung fallen auf. Am Sonntag standen sechs Neue in der Startformation im Vergleich zum Erfolg in Dresden. Haben Sie das Ziel einer Stammformation oder gehören diese Wechsel zum System Titz?

Ich finde es in der Tat nicht schlecht – in einer Englischen Woche – die Wechsel-Möglichkeiten zu haben. Wir haben dafür auch die Qualität im Kader. Ich bin schon Befürworter davon, dass man eine klare Achse und einen gewissen Grundstamm in einer Mannschaft hat. Aber wenn man wie wir im Offensivverbund sechs, sieben so gute Spieler hat, dann kannst Du auch mal wechseln. Wir wissen, dass die Saison lang ist und wir verletzte Spieler haben werden. Deswegen bin ich froh, dass wir viele gute Spieler im Kader haben.

Für Ihr Team geht es ohne lange Pause weiter. Am Donnerstag geht es nach Fürth, am Sonntag kommt der FC St. Pauli zum Derby. Fluch oder Segen?

Normalerweise hätte ich mir einen normalen Spielrhythmus ohne Englische Woche gewünscht. Jetzt finde ich es sogar gut, dass nicht viele Tage dazwischen liegen. Es nagt natürlich auch an den Spielern, was hier passiert ist. Wir wollen mit einer guten Leistung in Fürth wieder auf den richtigen Weg kommen.

Inwieweit ist die jetzige Situation ein Stresstest für den neuen inneren Frieden des HSV?

Ich kann mir schon vorstellen, dass das für die eine oder andere Person mit Sicherheit ein Stresstest ist, weil es nicht an jedem ganz so spurlos vorbeigeht, was am Sonntag passiert ist. Jetzt können wir aber zeigen, dass wir eng beieinanderstehen und mit Ruhe und Besonnenheit auf die Situation reagieren und nicht mit Hektik.

Das Derby am Sonntag wird eine ganz besondere Bedeutung haben. Wie schauen Sie auf die Partie gegen St. Pauli?

Natürlich hat das Derby eine sportliche Brisanz, die ist grundsätzlich etwas Schönes und reißt die Menschen mit. Das Derby sorgt in Hamburg für Gesprächsstoff und erfährt eine bundesweite Beachtung. Ich weiß, dass es für die Fans das wichtigste Spiel der Saison ist. Wir werden alles reinlegen, dass wir das Spiel für uns gestalten können.

Was erwarten Sie für eine Atmosphäre beim Derby?

Ich erwarte schon eine sehr hitzige Atmosphäre, die Nerven sind ein Stück weit mehr angespannt. Auf den Rängen wird eine außergewöhnliche Atmosphäre herrschen. Es wird für beide Teams nicht einfach, das alles abzustreifen. Trotzdem wollen wir mit der nötigen Ernsthaftigkeit und Klarheit reingehen.

Die Polizei wird das Spiel am Sonntag mit einem Großaufgebot begleiten. Wie sehen Sie das angespannte Verhältnis der rivalisierenden Fanlager?

Ich reduziere es rein auf die sportliche Rivalität und wünsche mir auch von den Zuschauern, dass der Fußball im Fokus steht und sie ihre Mannschaft unterstützen. Dass es in so einer großen Stadt wie Hamburg ein Aufeinandertreffen von zwei Traditionsklubs gibt, kann doch auch etwas Schönes sein. Ich hoffe nicht, dass es zu irgendwelchen hässlichen Auseinandersetzungen kommt, die in die Gewaltrichtung gehen, das hat im Fußball nichts zu suchen.

Vor dem Derby geht es aber erst einmal nach Fürth. Ist es schwierig die Mannschaft für solch eine Partie zu motivieren?

Das Derby ist in meiner Mannschaft noch kein großes Thema, weil wir wissen, dass wir in Fürth ein Spitzenspiel haben. Den Jungs ist schon klar – gerade nach der Heimniederlage – dass der Fokus nur diesem Spiel gilt. Unsere ganze Aufmerksamkeit liegt jetzt aber erstmal auf dem Duell in Fürth.

Sie haben in der Vergangenheit immer mal wieder über die Liebe zum Trainer-Job in der Bundesliga gesprochen. Würden Sie ihn auch in diesen schwierigen Tagen als Traumjob beschreiben?

Ich weiß die Dinge schon richtig einzuordnen. Tage, an denen wir verlieren, gehören nicht zu meinen Favoriten. Die willst Du am liebsten nicht erleben. Ich weiß aber, dass sie dazugehören. Meine Aufgabe ist es, solche Tage möglichst zu minimieren und die Mannschaft nach solchen Spielen wieder auf den richtigen Weg zu bringen. Und das macht dann wieder Spaß.