- 25.03.2020

Ailton über sein erstes HSV-Tor: „Das war wie ein Orgasmus!“


Im Spiel gegen den BVB Ailton erzielt sein erstes Tor für den HSV. (Foto: Witters)

Die Zeit des Wartens geht weiter, die DFL hat empfohlen, den Spielbetrieb weiter auszusetzen. Nach Plan soll es im Mai weitergehen mit Bundesliga. Normalerweise ist das der Monat der Entscheidungen, die letzten Spiele werden ausgetragen, Meisterschafts- und Abstiegskampf werden entschieden. Ob das dieses Jahr so sein wird, ist unklar. Heute vor 14 Jahren war das noch so. Am 25. März im Jahr 2006 traf Ailton das erste Mal für den HSV –  und in jenem Mai ließ er dann die Chance auf den großen Triumph, die direkte Qualifikation für die Champions League, liegen.

Im Winter ist er kommen, um dem HSV im Kampf um die Champions-League-Plätze die nötige Durchschlagskraft im Sturm zu verleihen. Ausgerechnet Ailton, der Meisterschafts-Held des Nordrivalen Bremen, soll jetzt in Hamburg dafür sorgen, dass man Platz zwei gegen die Konkurrenz, zu der auch Werder gehört, verteidigt. Der Start ist allerdings eher holprig. Zum Auftakt verliert der HSV mit Ailton 1:2 beim Abstiegskandidaten Nürnberg. Bereits in seinem dritten Spiel bricht sich der Brasilianer dann den Unterkiefer und fällt zunächst aus. Bei den Siegen gegen Kaiserslautern und Wolfsburg kommt er zu Kurzeinsätzen, wartet jedoch weiterhin auf seinen ersten Treffer.

Im Heimspiel gegen Dortmund, heute vor 14 Jahren, wird er dann in der 61. Minute für Rafael van der Vaart eingewechselt. Es steht 1:1, die BVB-Führung durch Ebi Smolarek hat Benjamin Lauth kontern können. Der Kugelblitz braucht nicht lange, um ins Spiel zu finden. Bereits nach wenigen Sekunden scheitert er an BVB-Keeper Roman Weidenfeller. Keine fünf Minuten später ist es dann so weit: Nach Pass von Sergej Barbarez entwischt der Brasilianer seinen Gegenspielern und tunnelt Weidenfeller (67.). Der Torjubel ist ausgelassen, nach dem Spiel wird er den MOPO-Reportern erzählen: „Das war wie ein Orgasmus! Wenn du als Stürmer ein Tor schießt, ist das so, als wenn du mit einer schönen Frau zusammen bist. Es ist der beste Moment im Spiel.“ Doch auf den Orgasmus folgt die Schlaffheit und der HSV verfällt in einen Tiefschlaf.

Das Stadion bejubelt noch den Treffer, da ist die Führung auch schon wieder futsch. Smolarek legt mit der Brust für Thomas Rosicky ab, dieser vollendet mit einem Volley rechts oben in den Knick. Nichts zu halten für Sascha Kirschstein. Das Spiel kippt und die Mannschaft von Thomas Doll wirkt ideenlos, die Dortmunder dagegen lauern auf ihre Chance. Es kommt, wie es kommen muss: Ein Distanzschuss des eingewechselten Florian Kringe bringt den BVB auf die Siegerstraße. In der Nachspielzeit gibt es noch einen Eckball für die Hausherren, die sich alle inklusive Keeper Kirschstein im gegnerischen Strafraum tummeln. Die Ecke wird geklärt und Rosicky schiebt den Ball auf der Gegenseite ins leere Tor – 2:4, der HSV ist geschlagen.

In den folgenden Wochen kommt Ailton immer besser in Fahrt, schließlich hat er ein Ziel. „Ich will bleiben“, verkündet er nach seinem ersten Tor im HSV-Dress, dafür muss Hamburg im Sommer die Kaufoption in seinem Leihvertrag ziehen, bei 1,75 Millionen Euro soll diese liegen. Ailton will liefern und die Führungsetage von einem längeren Verbleib überzeugen, am besten mit Toren. Gegen seinen Ex-Klub Schalke gelingt ihm das, als Joker erzielt er den vorentscheidenden Treffer zum 2:0. Gegen Gladbach steht er dann das erste Mal seit seiner Verletzung wieder in der Startelf. Im nächsten Spiel gegen Duisburg gelingt ihm sein erster Startelf-Treffer, der HSV gewinnt 2:0 – auch dank Ailton. Doch dann ist erst mal Flaute und der Brasilianer scheint unter Ladehemmung zu leiden.

Am letzten Spieltag kommt es zu Showdown. Der HSV empfängt als Zweiter den Dritten aus Bremen. Die Hamburger sind zu Beginn des Spiels besser drin in der Partie und können erste Nadelstiche setzen. Doch das Tor erzielt der Gast. Nach einer Ecke von Tim Borowski kommt Miroslav Klose an den Ball. Sein abgefälschter Schuss landet bei Ivan Klasnic, der aus drei Metern die Kugel über die Linie drückt. Mit der Führung ziehen die Bremer in der Tabelle am HSV vorbei. Doch der bäumt sich in der zweiten Halbzeit auf. Einen Freistoß von Piotr Trochowski verlängert Barbarez in die Maschen. Ausgleich – und zurück auf dem zweiten Platz. Die AOL Arena steht Kopf (59.).

Der nächste Aufschrei hallt zehn Minuten später durchs Stadion. Nach Zuckerpass von Barbarez steht Ailton vor dem leeren Tor. Tim Wiese ist bereits geschlagen, er muss nur noch einschieben, aber aus fünf Metern versagen ihm die Nerven. Der Ball geht am Tor vorbei und spätestens jetzt dürfte klar sein: Der HSV wird keine 1,75 Millionen für den Brasilianer nach Istanbul überweisen. Es war nicht die erste Chance, die er in den letzten Wochen liegen lässt.

Das soll sich an diesem Nachmittag rächen. Zwei Minuten später spitzelt Klose den Ball an Kirschstein vorbei ins Tor. Der HSV kann sich von diesem Rückschlag nicht mehr erholen. In der 83. Minute vergibt Werder noch die Chance aufs 3:1 vom Elfmeterpunkt, aber auch das bringt dem HSV keine Kraft mehr.

Nach dem Spiel hadern viele, vor allem mit der vergeben Chance von Ailton. Der wird, wie sich bereits angedeutet hat, nach der Saison nicht verpflichtet. Stattdessen tritt er eine Transfer-Odyssee an, die ihn unter anderem nach Serbien, in die Schweiz, die Ukraine, nach China, Brasilien und die Oberliga Bremen führt.

Der HSV schafft es übrigens ohne Ailton über die Qualifikation gegen Osasuna 2006/07 doch noch in die Champions League.  (mab)

Aufstellung des HSV gegen Dortmund: Sascha Kirschstein – Mehdi Mahdavikia (86. Naohiro Takahara), Khalid Boulahrouz, Daniel van Buyten, René Klingbeil – Raphael Wicky, Nigel de Jong, Piotr Trochowski (86. Bastian Reinhardt), Rafael van der Vaart (61. Ailton) – Benjamin Lauth, Sergej Barbarez