Geheime Strategie: Weicht Walter deshalb kritischen HSV-Fragen aus?
Tim Walter ist grundsätzlich und besonders dann, wenn ihm etwas an der gezeigten Leistung seiner Profis missfällt, ein Mann der kritischen und klaren Worte. Nach dem 2:4 in Kiel bezeichnete er das Abwehrverhalten einzelner HSV-Spieler beispielsweise als „dämlich“ und sorgte auch mit einem Rüffel für Doppeltorschütze Robert Glatzel für Aufsehen.
Auffällig ist trotzdem, dass der HSV-Trainer auf kritische Fragen von Reportern regelmäßig ausweichend antwortet. Angesprochen auf die unübersehbare Auswärtsschwäche seines Teams, reagierte Walter am Samstagnachmittag etwa lieber mit Ironie, anstatt sich zu den Fakten zu äußern: „Das hat mit auswärts und heim nichts zu tun“, sagte der 48-Jährige nach dem Kiel-Spiel und gab zwar zu, dass der HSV in der Fremde mehr Fehler mache als im Volkspark – abschließend aber folgte noch der ironische Zusatz: „Wir sind ja auch zu Gast, also kann man auch ein paar Geschenke verteilen.“ Und auch in der Vergangenheit vermied Walter schon manches Mal eine konkrete Antwort, lenkte bei bestimmten Nachfragen stattdessen immer wieder von dem von einzelnen Journalisten angesprochenen Thema ab. Welche Strategie steckt dahinter?„Als Sportkommunikationsforscherin kann ich sagen, dass Tim Walter in Pressekonferenzen und Interviews das anwendet, was er in Medientrainings gelernt hat. Eine zentrale Strategie ist dabei, immer die Kernbotschaft unterzubringen“, sagte Dr. Jessica Kunert gegenüber dem „Abendblatt“. Die Juniorprofessorin für Journalistik an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz mutmaßt: „Walter will zum Beispiel deutlich machen, dass es keinen Unterschied zwischen Heim- und Auswärtsspielen gibt. In Medientrainings wird geschult, dass die Kernbotschaft in jeder einzelnen Antwort mitschwingen soll.“ Doch wieso tut sich Walter damit schwer, zum Beispiel die Auswärtsschwäche klar beim Namen zu nennen, obwohl diese offensichtlich ist? Wieso interpretiert er Statistiken um, indem er etwa auf die Auswärtssiege im DFB-Pokal in Essen und Bielefeld verweist, die dem HSV aber gar nicht in der regulären Spielzeit gelangen? „Eine Strategie ist, kritische Fragen eher abzuwiegeln und ins Positive zu drehen, indem man seine Antwort mit Beispielen untermauert“, sagt Kommunikationsforscherin Kunert.