- 26.03.2020

Verkehrte Fußball-Welt: Großer HSV, kleiner FC Bayern München!


Ditmar Jakobs trennt Bayern-Stürmer Dieter Hoeneß vom Ball. (Foto: Witters)

Aktuell ist beim HSV wie bei allen anderen Klubs in Deutschland auch Corona-Pause. Der Ball ruht in den Bundesligen. Heute vor 37 Jahren lief die Saison dagegen auf Hochtouren. Der HSV empfing die Bayern zum Gipfeltreffen. Es war das Spiel des Ersten gegen den Dritten. Eine Parallele zur heutigen Zeit, mit dem entscheidenden Unterschied, dass der HSV inzwischen eine Liga tiefer spielt als die Übermacht aus dem Süden. Damals ging Hamburg als Tabellenführer und Favorit in das Spiel. Man war auf einem sehr guten Weg, die Meisterschaft der letzten Saison zu verteidigen, dazu musste aber auch der amtierende Pokalsieger aus dem Weg geräumt werden.

Es ist ein Spiel, das die Weichen für den Rest der Saison stellen wird. Am 26. März 1983, dem 26. Spieltag, gastiert der FC Bayern München im Volkspark. Der HSV muss nach dem Unentschieden in der Vorwoche gegen den VfL Bochum die Konkurrenz aus München und Bremen auf Distanz halten, um weiter in der Pole Position im Kampf um die Meisterschaft zu bleiben. Die Gäste legen gleich munter los. In der 17. Spielminute schlägt Udo Horsmann von der linken Seite eine scharfe Flanke halbhoch in den Strafraum der Hamburger. Aus sieben Metern kommt Hansi Pflügler mit einem Hechtsprung an den Ball. Doch Uli Stein im Tor des HSV kann den Volleyschuss gerade noch über die Latte lenken. Ein Monsterreflex, der die Rothosen vor dem frühen Rückstand bewahrt.

Auch die nächste gute Gelegenheit gehört den Bayern (20.): Paul Breitner mit einem Diagonalball, der das ganze Mittelfeld aushebelt. Karl-Heinz Rummenigge befördert das Leder aus der Drehung in die in Mitte, wo Dieter Hoeneß, der noch entscheidend von Ditmar Jakobs gestört wird, mit dem Kopf das Tor verfehlt. Bayerns Keeper Manfred Müller muss wenig später auch das erste Mal aktiv werden. Nach Hereingabe von Manfred Kaltz ist er schnell unten und fängt das Leder ab. In der Mittehaben Wolfgang Rolff und Horst Hrubesch gelauert. Letzterer bringt dann den ersten Abschluss aufs Gehäuse der Bayern. Jakobs treibt den Ball bis weit in die gegnerische Hälfte, schickt Rolff, der sich das runde Leder etwas zu weit vorlegt, ihn aber noch von der Grundlinie gekratzt bekommt. In der Mitte ist Hrubesch von zwei Bayern Verteidigern bedrängt und der Kopfball wird zur leichten Beute für Müller.

Dann aber wieder die Bayern. Schnell kombinieren sie sich vors Tor. Rummenigge auf Breitner, Breitner auf Hoeneß und der mit dem Pass in den Lauf des durchgestarteten Rummenigges, dem jedoch der Ball unter Bedrängnis verspringt. Wenn er den kontrolliert bekommt, ist er frei durch. Doch so gelingt ihm nur ein lascher Schuss in Richtung von Uli Stein, den dieser ohne Mühe pariert. Im Gegenzug streicht die Flanke von Felix Magath über den Kopf von Hrubesch hinweg. Der Ball landet neben dem Tor. Der nächste Aufreger dann bereits in der Schlussphase der ersten Halbzeit. Nach einem Einwurf dringt Jürgen Milewski in den Bayern-Strafraum vor und wird dort mit einer Grätsche zu Fall gebracht. Klare Sache: Es gibt Elfmeter für den HSV!

Die Proteste der Bayern-Spieler helfen nichts, die Entscheidung steht. Kaltz tritt an und versenkt sicher. Vom Schützen aus halb rechts unter die Latte, nichts zu halten für Müller. Jürgen Milewski hat sogar noch vor dem Halbzeitpfiff die Chance auf 2:0 zu stellen. Flanke Magath, Kopfballablage Hrubesch, doch Milewski bekommt keinen Druck hinter den Ball, so ist der Kopfball kein Problem für Müller. Dann ist Halbzeit. Der HSV führt glücklich, aber folgerichtig durch den Elfmeter von Kaltz.

Die zweite Hälfte beginnt mit einem Sturmlauf der Bayern oder besser gesagt mit einem Sturmlauf von Paul Breitner. Tief in der eignen Hälfte setzt er zum Solo an. Ungehindert steuert er auf den Strafraum der Gastgeber zu, dort können ihn dann weder Holger Hieronymus noch der zurückgeeilte Rolff am Abschluss hindern. Von der Sechzehnerkante aus zentraler Position zieht er ab, der Ball, von Hartwig noch leicht abgefälscht, schlägt flach neben dem Pfosten ein (53.). Der Ausgleich ist nicht unverdient.

In der Folge entwickelt sich ein offenes Spiel. Nach einer guten Stunde ist der HSV im Pech. Der eingewechselte Thomas von Heesen flankt in den Strafraum, dort nimmt Hrubesch die Flanke als Flugkopfball. Spektakulär, der Ball war deutlich in seinen Rücken gekommen. Die Kugel klatscht gegen den Pfosten, Müller wäre  geschlagen gewesen.

Auf der Gegenseite verstolpert Hoeneß das Zuspiel von Rummenigge. Für den HSV verzieht Magath deutlich von der Strafraumkante. Das Spiel erleidet einen abrupten Qualitätsabfall, als Rolff im Mittelfeld Breitner von hinten in die Beine springt. Der Bayern-Star muss ausgewechselt werden (77.). Für ihn kommt Norbert Nachtweih. Die letzte Viertelstunde ist von vielen Fehlern und Ungenauigkeiten auf beiden Seiten geprägt. Der HSV ist feldüberlegen, kommt jedoch zu keinem nennenswerten Abschluss mehr. Bei den Bayern vertändelt Rummenigge noch eine gute Konterchance. Der HSV und Bayern trennen sich letztlich mit 1:1. Es war ein Spiel, das mehr versprach, als es halten konnte. Nach Abpfiff sind sogar Pfiffe im Stadion (61.000 Zuschauer) zu hören.

Diese sollten allerdings wenige Wochen später vergessen sein. Der HSV bleibt im restlichen Saisonverlauf ungeschlagen. Im der ganzen Spielzeit verlieren die Rothosen nur zwei Spiele. In einem Herzschlagfinale nimmt man die Tabellenführung mit ins Ziel. Allein das um acht Tore bessere Torverhältnis gegenüber Werder Bremen beschert dem Team von Trainer Ernst Happel den Titel – den zweiten in Folge. Es ist Stand jetzt die letzte Meisterschaft des HSV. Die Bayern werden Vierter. (mab)

Aufstellung HSV: Uli Stein – Manfred Kaltz, Holger Hieronymus, Ditmar Jakobs, Bernd Wehmeyer – Jimmy Hartwig, Jürgen Groh, Felix Magath, Wolfgang Rolff – Jürgen Milewski (66. Thomas von Heesen), Horst Hrubesch