- 19.04.2020

Entscheidung im Derby: Der HSV schießt St. Pauli in die 2. Liga


Martin Groth (r.) und der HSV sorgen dafür, dass der FC St. Pauli (hier mit Thomas Meggle) in die 2. Liga absteigt. (Foto: Witters)

Ein Derby zwischen dem HSV und dem FC St. Pauli ist immer etwas Besonderes. Vor allem, wenn es um so viel geht wie vor genau 18 Jahren. Am 32. Spieltag der Saison 2001/02 war der Abstieg für den FC St. Pauli nur noch durch ein Fußballwunder zu verhindern – und ausgerechnet der HSV könnte den Stadtrivalen an diesem Tag eigenhändig in die 2. Liga schießen.

Für den HSV ist es eine eher durchwachsene Saison. Seit Beginn der Spielzeit irrt man im Tabellenmittelfeld, weder nach oben noch nach unten wird es wirklich spannend. Schon viele Wochen vor Ablauf der Saison steht fest, dass die letzten Spiele für den HSV bedeutungslos werden. Zumindest, was die Tabellenkonstellation angeht – doch in ein Spiel gehen die Hamburger trotzdem mit einer ganz besonderen Motivation.

Am 19. April 2002 muss der HSV im Derby gegen den FC St. Pauli antreten. Und für den Stadtrivalen ist die Lage weitaus prekärer als für die Rothosen, die als Elfter im gesicherten Mittelfeld der Tabelle stehen: Drei Spieltage vor Schluss braucht es für St. Pauli ein Fußballwunder, um die Klasse noch zu halten, der Rückstand auf das rettende Ufer beträgt schon sechs Punkte. Ausgerechnet gegen den HSV könnte der sichere Abstieg feststehen.

Freitagabend, Flutlicht im Volkspark. Vieles spricht für ein Spektakel, das es auch beim 4:3 im Hinspiel gegeben hat. Denn schon nach zwölf Minuten gibt es Elfmeter für den FC St. Pauli, Jörg Albertz bringt Ugur Inceman zu Fall. Ausgerechnet Thomas Meggle, der im Vorfeld der Partie mit großen Sprüchen für Aufsehen sorgt („Wir werden den HSV in der ganzen Stadt lächerlich machen“), scheitert am sensationell reagierenden HSV-Torwart Martin Pieckenhagen.

„Ich hätte dafür sorgen können, dass wir noch weiter hoffen können. Keiner kann sich vorstellen, was sich in einem abspielt, wenn man einen so wichtigen Elfmeter verschießt. Ich spüre eine große Leere, Enttäuschung, Schuldgefühle. Unfassbar“, wird Meggle später der MOPO sagen. Und HSV-Keeper Pieckenhagen legt verbal sogar noch nach: „St. Pauli hat den Mund vorher sehr vollgenommen. Aber mit dem Mund schießt man keine Tore.“

Stattdessen ist es der HSV, der an diesem Abend Tore schießt. Bernardo Romeo bringt den Favoriten in der 19. Minute in Führung und beendet seine Durststrecke von 664 torlosen Minuten. Nachdem ein Kopfballtor von St. Paulis Dubravko Kolinger in der 31. Minute zurecht aberkannt wird, weil der Ball zuvor im Aus war, ist der Widerstand des Kiezklubs in der 45. Minute endgültig gebrochen. Mit dem Pausenpfiff erhöht Martin Groth nach einer Ecke auf 2:0 für den HSV – die Vorentscheidung.

Nach dem Seitenwechsel legen die Hamburger nach, Nico-Jan Hoogma (50.) und erneut Romeo (58.) schrauben das Ergebnis weiter in die Höhe. „Wir waren anfangs sehr verhalten, der Elfer hat uns geweckt“, resümiert HSV-Trainer Kurt Jara die Partie, der von der Atmosphäre besonders beeindruckt ist: „Ich habe schon sehr viel erlebt. Aber bei dem, was hier passiert ist, lief mir ein kalter Schauer über den Rücken.“

Der Abstieg des FC St. Pauli in die 2. Liga ist damit praktisch beschlossen – nur noch theoretische Rechenspiele würden zum Klassenerhalt reichen, die nicht eintreten. Es wird achteinhalb Jahre dauern, bis es im September 2010 zum nächsten Derby zwischen dem HSV und dem FC St. Pauli (1:1) kommen wird. Erik Meijer findet das schon am Abend des 19. April 2002 sehr schade: „Ich bin etwas traurig, dass wir das alles nächstes Jahr nicht mehr erleben werden.“ Übrigens: Den nächsten Derbysieg wird der HSV erst wieder am 10. März 2019 feiern – auch dann gibt es wieder ein 4:0 am Millerntor. (rmy)

Aufstellung HSV: Martin Pieckenhagen – Ingo Hertzsch, Bernd Hollerbach, Nico-Jan Hoogma, Tomas Ujfalusi – Jörg Albertz (81. Marcel Maltritz), Roda Antar (68. Collin Benjamin), Rodolfo Cardoso (46. Milan Fukal), Martin Groth – Erik Meijer, Bernardo Romeo